bei Angela Anthamatten, economiesuisse
In einer gemeinsam mit Google im letzten Jahr veröffentlichten Studie hat economiesuisse aufgezeigt, dass eine intensive Nutzung von KI das jährliche Bruttoinlandprodukt der Schweiz um 80 bis 85 Milliarden Franken steigern kann. Was braucht es, um dieses immense Potenzial ausschöpfen zu können?
Angela Anthamatten: Zunächst einmal ist es wichtig, sich die Grössenordnungen dieser Zahl vor Augen zu führen: Es handelt sich um Wachstumsraten, wie wir sie zuletzt in den 1960er-Jahren oder zu Beginn des neuen Jahrtausends erlebt haben. Laut der Studie könnten künftig etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze in der Schweiz generative KI nutzen. Das ist enorm und verdeutlicht, dass wir hier von einer echten Querschnittstechnologie sprechen – vergleichbar mit dem Internet oder der Dampfmaschine.
Die Schweiz verfügt über viele gute Voraussetzungen, um dieses Potenzial zu realisieren: Spitzenforschung, ein exzellentes Bildungssystem, innovative Unternehmen und einen grundsätzlich liberalen Rechtsrahmen. Dieses Fundament gilt es zu stärken. Regulatorisch sollten wir nur dort eingreifen, wo wir entweder Hindernisse für neue Anwendungen erkennen oder Fehlentwicklungen drohen.
Darüber hinaus ist es entscheidend, dass wir mit unseren wichtigsten Handelspartnern kompatibel bleiben. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir beispielsweise den AI Act der EU übernehmen müssen. Es geht vielmehr darum, Regeln zu schaffen, die uns einerseits Anschlussfähigkeit garantieren und uns andererseits im internationalen Standortwettbewerb einen Vorteil verschaffen.
Bis Ende 2026 will der Bundesrat eine Vorlage für die rechtlichen Umgang mit KI in die Vernehmlassung geben. Was sollte diese Regulierung aus Ihrer Sicht beinhalten?
Die Regulierung sollte primär auf der Grundlage der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen aufgebaut werden. Es gilt sorgfältig zu prüfen, inwieweit die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen bereits einen verantwortungsvollen Umgang mit KI ermöglichen. Zusätzliche Regelungen, die erforderlich sind, sollten prinzipienbasiert formuliert werden, um sowohl Flexibilität als auch Innovationskraft zu bewahren.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Technologieneutralität. Statt spezifische Vorschriften für einzelne KI-Anwendungen zu erlassen, sollten allgemeine Grundsätze im Vordergrund stehen. So bleibt der Rechtsrahmen offen für neue Entwicklungen und fördert den technologischen Fortschritt, ohne Innovationen unnötig zu bremsen.
Schliesslich benötigt es – wie bereits erwähnt – eine Regulierung, die mit ausländischen Regelwerken kompatibel ist. Die Einhaltung globaler Standards ist unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft zu sichern und den Anschluss an internationale Entwicklungen zu wahren.
Wie gut ist die Schweiz bezüglich KI im weltweiten Vergleich aufgestellt? Was braucht es, damit wir den Anschluss nicht verlieren?
Die Schweiz nimmt im globalen Vergleich eine führende Position im Bereich der künstlichen Intelligenz ein. Laut einer Studie von PwC gehört sie gemeinsam mit Ländern wie den USA, Schweden, dem Vereinigten Königreich und Belgien zu den «GenAI-Begünstigten» und führt diese Gruppe an. Diese Spitzenstellung basiert auf der starken Technologie- und Softwareindustrie in unserem Land sowie den global bedeutenden Sektoren wie Pharma, Medien und Finanzdienstleistungen, die besonders von KI profitieren.
Die Schweiz ist in einer ausgezeichneten Ausgangslage, um ihre Spitzenposition im globalen KI-Markt weiter auszubauen. Um diese jedoch dauerhaft zu halten, bedarf es gezielter Investitionen in Talente, Infrastruktur und Bildung sowie einer flexiblen und innovationsfreundlichen Regulierung. Mit diesen Massnahmen kann die Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in einer zunehmend KI-dominerten Zukunft sichern.
